Das Aussteller Leben
Muss es nicht wunderschön sein, umgeben von 1000 Schabracken auf der weltgrößten Pferdemesse zu arbeiten?
Ja und Nein, also Jein:
An Tag 1 mit voller Tatendrang in den Verkauf? Nahja gut, die meisten Aussteller Lächeln zwar, aber vermutlich nur, weil der Stand doch noch in der letzten Minute fertig wurde und der Verkauf nun pünktlich starten kann.
Die ersten Besucher trudeln ein, alle sind gesittet und glücklich, Kauflaune breitet sich aus. Und dann geht es Schlag auf Schlag. Es wird voll, die Stimmung kippt. Ellbogen werden ausgefahren und um Ladenhüter wird nun gekämpft.
Nun gut, wenigstens scheint die Ware zu gefallen.
An dieser Stelle geht allerdings auch das Falschen los: „Kann man da am Preis noch was machen? Auch nicht, wenn ich noch den passenden Strick dazu nehme?“ Nein, das ist ein Set Angebot und nebenbei bin ich auch nur ein armer Larry, der die Preise nicht vorgibt.
Mittagszeit. Der dezente Geruch von Pommes, Pizza und Co. durchfährt deine Nase, aber von Mittagspause ist leider weit und breit keine Spur. Für Dich heißt es Käsestulle zwischen Halftern und Menschenmengen. Stehend versteht sich. Aber mit vollem Mund redet man nicht, nett lächeln wird jedoch geduldet. Schnell noch ein Schlückchen Wasser zum runterspülen und schon gehts wieder ran an die „Schüppe“.
Danach folgt hier und da ein nettes Kundengespräch und Pläuschen unter Kollegen. Neidisch entdeckst du ein nettes Teil bei den Kunden und freust dich über jeden Shoppingtipp. Schließlich muss deine Shoppingtour im Schweinsgalopp innerhalb der eingeräumten Zeit abgeschlossen sein. Danach ruft wieder die Arbeit.
Doch pünktlich zum Regen trifft neue Ware ein. Jetzt muss es schnell gehen. Zügig die Kartons vom parkenden LKW durch Regen und Menschentrauben tragen und möglichst sicher zum Stand bringen. Eine wirklich gelungene Abwechslung, um sein Territorium zu erweitern.
Während die Zeit vor sich hin siedet, passieren manchmal wirklich spannende Dinge. Man beobachtet Ehedramen wegen einer Schabracke, Beratungsgespräche unter scheinbar Blinden und manchmal erkennt man sogar die kriminelle Energie einiger diebischen Elster.
Nach und nach spürst Du irgendwann ein befreiendes Gefühl Richtung Lendenwirbel. Uppsi, waren doch nur die Beine, die dich daran erinnern, dass sie sich bald in den Bauch gestanden haben. Jetzt noch ein federleichter Trolli, der Dir über die Füße fährt und du zählst die Stunden bis „Ladenschluss „.
Aber es gibt Aussicht auf Besserung. Am letzten Tag gibt es einen Mitarbeiter Rabatt, blöd nur, wenn die besten Teile schon an Tag eins vergriffen sind. Schade Schokolade, ich ahne Schlimmes.
Juhuuu, nur noch wenige Minuten bis 19Uhr. Jetzt müssen nur noch die wenigen Kilometer Richtung Auto zurückgelegt werden. Richtung Freiheit läuft es sich übrigens sogar mit Plattfüßen schnell und geschmeidig.
Geschafft. Nun sind es nur noch 8 weitere Tage. Ob mir die Krankenkasse hiernach wohl eine Delphine-Therapie genehmigt?
Die Tage plätschern so vor sich hin. Mal sind es mehr Besucher, mal weniger. Gekauft wird allerdings immer und egal was. Ich hingegen erfreue mich an den kleinen Dingen im Leben, regelmäßiger Toilettengang, ausreichend zur Verfügung gestelltes Wasser und nette Bekanntschaften.
Besonders hoch im Kurs sind bei mir die Beratungsgespräche. „Welche Größe braucht Ihr Pferd?“ – „Haflinger!“ „Achso, ja ich persönlich trage ja auch regelmäßig Größe Mensch…“. Schließlich wird dann aber nach 3 Telefonaten und wissenschaftlicher Recherche doch noch die richtige Größe für Jolly, Elsa und Co, gefunden.
Ebenfalls spannend gestalten sich die Beratungsgespräche rund um Farben am 🦊. Ich als bekennender Fuchs Besitzer und äußerst toleranter Mensch halte mich diesbezüglich besonders gern zurück und verkaufe auf Wunsch auch mal Knallrot für den Rotfuchs 🙈. Hilfe, Gott sei Dank ist noch kein Pferd an fehlender Farblehre verendet, ansonsten hätte ich jetzt sicher einige Leichen im Keller.😂
Und schwups, brechen die letzten Tage an. Endspurt. Spätestens an Tag 9 wird selbst geshoppt. Vermutlich nicht zu wenig, denn die Schabracken müssen die Wunden der letzten Tage heilen🚑. Geld ausgeben ist einfach so viel unkomplizierter als Geld ausgeben.💸
Ob sich Huföl, wohl auch als Gelenkschmiere eignet? Ich würde es mir jedenfalls ins Knie spritzen lassen. Einen Versuch wäre es wert, also kommt es mit in die Tüte. 💉
Ermüdet, erleichtert und stolz werde ich wohl ins Bett fallen, aber HEY ich lebe noch und für die Meisten ist der Tag noch längst nicht vorbei.
Denn jetzt heißt es die Ladenhüter der ganzen Woche wieder einzuräumen und den Abbau möglichst schnell über die Bühne zu bringen. Hier wird nochmal ordentlich in die Hände gespuckt, vorausgesetzt man hat noch Spucke.🚚📦
Hut ab vor allen Austellern, Ihr seid die wahren Helden der Messe. Die wahren Attraktionen! Euch gehört die Bühne äääh Showhalle😃. Denn ohne Shoppingmeile, keine Besucher!
Chapeau! Messe ist echt nichts für Warmduscher…